Remembering Marketa

Marketa Kimbrell (1928 – 2011)
Ihre Klassen fanden statt am 721 Broadway in einem fensterlosen Saal, das auch Durchgang war. Studierende anderer Klassen latschten durch den Raum und liessen die Metalltüren laut krachend ins Schloss fallen. Es ging durch Mark und Knochen. Marketa störte das nicht: mit derselben immerwährenden Konzentration sprach sie zu uns, hörte uns zu, betrachtete mit dem unkorrumpierbaren Auge unsere Arbeiten on the search for truth and humanity.
Noch heute sehe ich sie auf einem unbequemen Stuhl, leicht vorgelehnt, gebannt einer Szene folgen und es als persönliches Glück betrachten, wenn diese gelang.
Ich war keine Schauspielerin und wollte es auch nie werden. Aber diese Stunden machten mich zu einer Regisseurin, die ihre Furcht vor Schauspielenden ablegen und in eine Passion für sie verwandeln konnte.
Manchmal nahm Marketa einen leise zur Seite und gab einem in Sätzen wie Pinselstriche etwas mit auf den Weg, was einen künstlerisch weiterbrachte. Sie hatte meine Schweizer Bravheit durchschaut und wusste, dass ich eine wütende junge Frau war, aus der etwas herauswollte.
Sie sprach über Politik, direkt. Alles war politisch. Künstlerin sein, (und werden) hatte bei ihr wenig mit Selbstverwirklichung zu tun. Sie war durchdrungen von der Überzeugung, dass Kunst die Gesellschaft verändern konnte und musste. Mit ihrem New York Street Theater Caravan ist sie diesen Weg konsequent gegangen. Sie zog damit in die Vorstädte, spielte in Flüchtlingslagern, in Reservaten der Natives, in Kohlestädten. Ihr Auge und ihre Liebe galt den Übersehenen. Manche Studierende, die erklärtermassen in Hollywood Geld und Ruhm suchten, wurden von Marketas Weltbild herausgefordert. Sie war Feministin der ersten Stunde, aber es gab keine Theorien dazu von ihr zu hören. Sie war ganz einfach ein lebendiges Beispiel für uns Frauen, die ihren Unterricht gestärkt und voller Aufmerksamkeit gegenüber den Machtverhältnissen verliessen.
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Marketa hatte ihr Geheimnis. Sie war eine dezidierte Linke, was im Amerika des kalten Krieges nicht opportun war. Gewiss sind ihr als Schauspielerin deswegen Rollen entgangen. Und sie eignete sich nicht dazu, eine Jüngerin von Lee Strasberg zu werden, obwohl sie bei ihm studiert hatte. Sie bezog sich manchmal auf ihn mit einem einfachen «Lee said …», dann legte sie ihn und seine Theorien wieder zur Seite, um uns in ihren Worten anzuspornen, Mut zu fassen und das Scheitern zu riskieren. Wir kamen beflügelt und durchtränkt von Sinnhaftigkeit aus ihren Klassen.
Gewiss hatte sie ihre Eigenständigkeit mit einer Portion Einsamkeit bezahlen müssen. Sie hätte das Zeugs zum Guru gehabt, doch sie verzichtete auf alles, was sie in den Mittelpunkt gestellt hätte. Umringt von ihren Studierenden schien sie glücklich.