About me
“Die Spannung
zwischen Privatem
und Gesellschaftlichem
prägt das gesamte Werk
der Regisseurin.”
Senta van de Weetering
Curriculum Vitae
Stina Werenfels ist eine Filmemacherin, Autorin und Produzentin aus der Schweiz
Geboren in Basel, verbrachte sie ihre frühe Kindheit in den USA, Griechenland und Spanien. Nach einem Pharmaziestudium an der ETH Zürich studierte Film an der New York University (Tisch School of the Arts). Sie besuchte u.a. Meisterklassen von Spike Lee, Arthur Penn und Marketa Kimbrell. Ihr Studentenfilm über eine kleine jüdische Gemeinde Fragments from the Lower East Side erhielt den NYU Graduate Award für den «Besten Dokumentarfilm».
Zurück in der Schweiz drehte sie die preisgekrönte Komödie Pastry, Pain & Politics und begann, Sketche für die Comedy Show Viktors Spätprogramm des Schweizer Fernsehens zu inszenieren. Ihr erster Spielfilm, das Drama Nachbeben (2006), wurde im Berlinale Panorama uraufgeführt und gewann mehrere Preise. Von 2011-2015 war sie Vizepräsidentin des ARF (Verband Filmregie und Drehbuch Schweiz).
Ihr nächster Spielfilm Dora oder die sexuellen Neurosen unserer Eltern (2015) mit Victoria Schulz und Lars Eidinger in den Hauptrollen wurde erneut an die Berlinale (Panorama) eingeladen. Er gewann unter anderem den Grand Prix du Jury am Festival de Films de Femmes in Créteil.
2017 war sie Mitbegründerin von Kosmos, einem gesellschaftspolitischen Kulturzentrum in der Zürcher Innenstadt mit einem Veranstaltungsforum, sechs Kinos, einem Büchersalon und einem Bistro. 2018 erhielt Stina Werenfels ein Stipendium am Istituto Svizzero, Villa Maraini, in Rom, um das Drehbuch Frisch, née Krakowska zu entwickeln, eine Doku-Fiktion über ihre Familiengeschichte.
2019 koproduzierte sie mit ihrer Produktionsfirma AleppoFilms den Spielfilm Baghdad in my Shadow des im Irak geborenen Regisseurs Samir. Der Film wurde am Filmfestival von Locarno uraufgeführt und erhielt drei Nominierungen für den Schweizer Filmpreis.
Aktuelle Projekte
Im September 2023 öffnete das Stück Ein Leben nach den Romanen von Annie Ernaux, in der Regie von Stina Werenfels, erfolgreich die Spielzeit der Bühnen Bern.
Stina Werenfels schreibt derzeit an ihrem neuen Spielfilm Aletsch – Le Glacier. Ausserdem ist sie im Schnitt von Hirschfeld, einem Dokumentarfilm über den vergessenen jüdischen Regisseur Kurt Hirschfeld, der das Schauspielhaus Zürich zum kulturellen Zentrum des antifaschistischen Widerstands machte. Werenfels’ Dokumentarspielfilm Frisch, née Krakowska befindet sich in der Finanzierung.
Für den historischen Spielfilm Each of Us der katalanischen Firma Alhena Production wurde Stina Werenfels mit vier weiteren Regisseurin zur Zusammenarbeit eingeladen.
Stina Werenfels unterrichtet an der Zürcher Hochschule der Künste und an der Accademia Dimitri for Physical Theatre.
Sie lebt mit ihrer Familie in Zürich.
Audio-Installation in der Gruppenausstellung So einfach war das. Jüdische Kindheiten und Jugend seit 1945 in Österreich, der Schweiz und Deutschland, Jüdisches Museum Hohenems, 2004
Ausstellung
Seit 1945 in Österreich, Deutschland oder der Schweiz als Jüdin, als Jude aufzuwachsen, daran war nichts selbstverständlich. Oder vielleicht doch? Was hat es bedeutet, hier – nach dem Holocaust – gross zu werden, oder anzukommen als Flüchtling, Migrant oder Nachkomme von Überlebenden?
Die Ausstellung gibt Einblicke in die Vielfalt jüdischer Lebenswelten seit 1945. 40 Schriftstellerinnen und Geschäftsleute, Journalisten, Intellektuelle und Künstlerinnen, Hausfrauen und Hausmänner, ältere und jüngere, gläubige und weniger gläubige, bekannte und weniger bekannte Menschen wurden um ein Foto und eine kurze Geschichte aus ihrer Kindheit und Jugend gebeten: Erlebnisse und Verstörungen des Alltags, kurze Momente des Glücks, der Fremdheit und der Zugehörigkeit. Zusammen entfalten sie ein Panorama jüdischer Existenz in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland heute: Pointiert und widersprüchlich.
Kindheitserinnerungen
Interview, Nadja Hieringer, Fritz&Fränzi
Was haben Sie als Kind in Ihrer Freizeit am liebsten gemacht?
Am liebsten habe ich Witze erzählt. Noch heute kann ich mich über etwas Lustiges hundertmal kaputt lachen. Für mich war das wie ein Sport, eine Form, Aufmerksamkeit zu bekommen. Meine Grossmutter war eine bürgerliche und autoritäre Frau. Aber manchmal hat sie uns am Esstisch erlaubt, Witze zu erzählen, sogar derbe. Die Erwachsenen haben dann furchtbar gelacht. Das war ein eigentlicher Tabubruch, den wir alle offensichtlich genossen. Im Dorf, wo ich aufwuchs, gab es kleine Gangs in denen wir Grenzspiele ausgetestet haben. Meine Schwester ist älter als ich. Von uns beiden war ich die burschikosere und habe mich auch mal auf dem Pausenplatz geprügelt: wegen meiner Frisur, der «Rolle», wurde ich oft gehänselt.
Aus welchen Kindheitserinnerungen schöpfen Sie heute die Kraft und Ideen für Ihre Arbeit?
Wir wohnten am Waldrand. Dort gab es am wilden «Chriesibaum» eine Schaukel, die bis in die blühenden Zweige hinauf schwang. So schaukelte ich oft stundenlang, wenn ich nicht gerade am «Wässerlen» war. Im Winter zogen wir die Schlitten auf die Lägern, mein Vater machte bäuchlings den Anfang und zog den Rattenschwanz von Nachbarskindern hinter sich her, bis in der Kurve die ersten «von Bord» gingen. Leider fährt heute fast niemand mehr bäuchlings. Mein Interesse für den Film hat auch über die Fotografie angefangen. Meine Grossmutter hat mir die 6 x 6 Rolleiflex Kamera vererbt. Ähnlich wie sie fotografiere ich ziemlich obsessiv. Mein Vater wiederum besass eine 8mm Filmkamera und brachte von der Arbeit die Welt mit nachhause.
Wären Sie heute ein Kind, was würden Sie dann in Ihrer Freizeit am liebsten machen?
Singen und Musik machen. Ich bedaure, keinen besseren Einstieg in die Musik gefunden zu haben. Heute nehme ich manchmal – zum Leidwesen aller – die Blockflöte hervor. Einfache Melodien kann ich noch spielen. Sicher würde ich auch Comics lesen, die hat mir meine Mutter damals nicht gekauft, weil sie als zu trivial galten. Und so richtig mit Wasser im Dreck wühlen, das würde ich auch gerne wieder machen. Kinder müssen nicht immer so sauber sein.
Aus der Publikation zur Ausstellung «Geld», Stapferhaus Lenzburg, 2014-2016: «Wofür haben Sie als Kind gespart, Stina Werenfels?»